Physiknobelpreis 1985: Klaus von Klitzing

Physiknobelpreis 1985: Klaus von Klitzing
Physiknobelpreis 1985: Klaus von Klitzing
 
Der deutsche Physiker erhielt den Nobelpreis für die Entdeckung des so genannten quantisierten Hall-Effekts.
 
 
Klaus von Klitzing, * Schroda (Polen) 28. 6. 1943; Physikstudium in Braunschweig, 1972 Promotion, 1978 Habilitation in Würzburg, 1975-76 Forschungsaufenthalte am Clarendon Laboratory in Oxford und 1979-80 am High Magnetic Field Laboratory in Grenoble, Professor an der Technischen Universität in München, seit 1985 Direktor am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Bis in die 1980er-Jahre ließ die Halbleiterforschung keine die Grundlagenphysik angehenden Entdeckungen erwarten oder fundamentalphysikalische Erfolge, die mit dem Nobelpreis hätten gewürdigt werden können. Für die vorhergegangenen Jahre ist hier lediglich die Auszeichnung von John Bardeen, Walter Houser Brattain und William Bradford Shockley für ihre Halbleiterstudien und die Erfindung des Transistors zu nennen (Nobelpreis 1956).
 
Das Stadium der Theorien und Experimente dieses Forschungsfelds prägen Vereinfachungen und Materialeigenschaften. Viele Details, Störungen und Reaktionen der Elektronikbausteine, die unter anderem als Verstärker bei der Informationsübertragung benutzt wurden, waren noch eingehend zu untersuchen. Völlig überraschend entdeckte Klaus von Klitzing 1980 während solcher Experimente ein Phänomen, das er als bisher unbekannten Quanten-Hall-Effekt interpretierte.
 
 Transistoren in Magnetfeldern
 
Im Hochfeld-Magnetlabor Grenoble, das von der deutschen Max-Planck-Gesellschaft und dem französische Centre National de la Recherche Scientifique (C.N.R.S.) gemeinsam betrieben wird, lassen sich Eigenschaften und Auswirkungen starker Magnetfelder untersuchen. Klitzing kam mit seinem Mitarbeiter Thomas Englert nach Grenoble. Die beiden Physiker interessierten sich insbesondere für die Wirkung von hohen Magnetfeldern mit Flussdichten von 10 bis 20 Tesla, das ist etwa 400 000fache Erdmagnetfeldstärke, und deren Wirkung auf speziell konstruierte MOS-Feldeffekt-Transistoren (MOS: Metall-Oxid-Semiconductor). Diese neuartigen Halbleiterelemente hatte Klitzing von Michael Pepper von der Plessey-Company (England) und Gerhard Dorda vom Siemens-Forschungslabor (München) bekommen; ihre Besonderheit liegt darin, dass die Elektronen hier quasi nur noch in zwei Dimensionen beweglich sind (zweidimensionales Elektronengas, 2DEG). Die Wirkung von Magnetfeldern derart hoher Flussdichte ließ bei niedrigen Temperaturen um 1-4 Kelvin (-272°C bis -269°C) Abweichungen vom herkömmlichen Transistorverhalten erwarten. Klitzing ging es vor allem darum, Bewegung und Konzentration der Ladungsträger im Halbleitermaterial zu studieren. Dazu haben Physiker schon längere Zeit einen 1879 gefundenen Effekt genutzt, der nach seinem Entdecker, dem amerikanischen Physiker Edwin Herbert Hall benannt worden ist.
 
 
Wird an die Enden eines sich in einem Magnetfeld befindlichen Leitungsdrahts eine Spannung angelegt, so wirkt auf die sich durch den Leiter bewegenden Elektronen eine ablenkende Kraft, die sie sowohl senkrecht zu ihrer Bewegungsrichtung als auch senkrecht zum Magnetfeld hin ablenkt. Diese nach Hendrik Antoon Lorentz (Nobelpreis 1902) genannte »Lorentzkraft« ändert die Bewegungsrichtung der Elektronen; da diese das Leitermaterial aber nicht ohne weiteres verlassen können, häufen sie sich auf der einen Leiterseite, während sich auf der anderen Seite nur noch sehr wenige befinden. Das entstandene Ladungsgefälle führt zu einer innerhalb des Leitungsdrahts senkrecht zur Stromrichtung messbaren elektrischen Spannung. Diese »Hall-Spannung« steigt proportional mit der Magnetfeldstärke an, wenn der Strom durch den Leiter konstant gehalten wird. Das Verhältnis aus Hall-Spannung und Stromstärke im Leiter definiert den Hall-Widerstand, der proportional zum Verhältnis aus dem Magnetfeld und der Ladungsträgerdichte ist. Der Hall-Effekt kann zur Bestimmung der Ladungsdichte verschiedener Materialien ausgenutzt werden, so auch Halbleiterproben, deren Ladungsträgerdichte zudem durch Dotierungen variiert werden kann.
 
 
Am 5. Februar 1980, morgens um zwei Uhr entdeckte Klitzing Abweichungen vom klassischen Hall-Effekt, die er als Quantenphänomene deutete. Er untersuchte das Leitungsverhalten von Elektronen in der mikroskopisch dünnen Schicht eines MOS-Transistors bei einer Temperatur von 4 K (-269°C), und senkrecht zu dieser Schicht war ein 14-Tesla-Magnetfeld angelegt. Die Bewegungsmöglichkeit der Elektronen ist nur in zwei Dimensionen möglich wegen der Halbleiterschicht, die als eine Ebene anzusehen ist. Klitzings Messungen der Hall-Spannung widersprachen bei diesem Experiment den klassischen Erwartungen, denn sie zeigte sich nicht als lineare Funktion der Magnetfeldstärke, sondern stieg in Abständen sprunghaft an. Die Betrachtung des Hall-Widerstands während dieses Verlaufs zeigte ausgeprägte Plateaubildungen. Es zeigte sich auch, dass diese Stufen überhaupt nicht von den Eigenschaften des Halbleitermaterials abhängen; vielmehr erwies es sich, dass der Hall-Widerstand quantisiert ist, das heißt, lediglich in Einheiten einer Naturkonstante auftritt. Den bei seinen Untersuchungen immer wieder gemessenen Widerstandswert von etwa 6453,2 Ohm interpretierte Klitzing als Wert der Größe h/4e2, also des Verhältnisses des Planck'schen Wirkungsquantums h zum vierfachen Quadrat der Elementarladung e. Die Folge der messbaren fundamentalen Widerstandswerte setzt sich aus Bruchzahlen zusammen, deren Zähler h ist, während im Nenner Vielfache von e2 stehen: h/e2, h/2e2, h/3e2,. .. Die nachfolgenden Messungen von Klitzing ergaben dann auch Messwerte, die den Größen h/ie2 entsprachen, wobei i eine ganze Zahl ist. Dieses Phänomen heißt heute »Quanten-Hall-Effekt« oder auch »von-Klitzing-Effekt«.
 
Mit dem konstanten Verhältnis RK = h/e2 = 25812,8070 Ohm existiert nun eine universelle Bezugsgröße für elektrische Widerstände, die raum- und zeitunabhängig an einem Halbleiter gemessen und somit wesentlich exakter reproduziert werden kann, als dies mit den zuvor nötigen Normalwiderständen aus Draht der Fall war. Folglich wurde die elektrische Maßeinheit Ohm 1990 durch diese »Von-Klitzing-Konstante« RK festgelegt.
 
Schon zwei Jahre nach Klitzings Entdeckung haben Horst Ludwig Störmer, Daniel Tsui und Arthur Gossard den »fraktionierten« Quanten-Hall-Effekt gefunden: Tiefere Temperaturen (0,1 K) und noch stärkere Magnetfelder (28 Tesla) führten zu Widerstandsmesswerten, die für deren Interpretation als h/ie2 auch Bruchzahlen wie 1/3, 2/3, 1/5 und so weiter zuließen. Im Jahr 1998 wurden Störmer und Tsui für ihre Entdeckung gemeinsam mit Robert Betts Laughlin, der dafür eine theoretische Interpretation fand, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
 
R. Seising

Universal-Lexikon. 2012.

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